Marathon der Herzen
«Das Feuer ist zurück», sagt Menduri Kasper. Er lacht. «Spätestens jetzt haben es alle gemerkt: Er findet statt.» Der Geschäftsführer des Engadin Skimarathon steht, genau wie kurz zuvor Voluntari Dario De Tann (siehe Seiten 2 bis 4), auf dem flach gedrückten Schnee am Ufer des Silsersees in Maloja. Hier werden sich in wenigen Tagen über 10 000 Langläuferinnen und Langläufer einfinden, um am grössten Sportevent der Schweiz teilzunehmen.
«Die Vorfreude ist riesig», meint Menduri Kasper an diesem sonnigen Mittwochnachmittag. Sein Engadiner findet statt. Ihr Engadiner. Der Marathon der Engadinerinnen und Engadiner, des Organisationskomitees, der 1000 Voluntaris und der über 10 000 Läuferinnen und Läufer. Ein Marathon der Herzen. Die damit verbundenen Emotionen spürt, wer mit Menduri Kasper und Dario De Tann spricht. Das vorhin zitierte Feuer brennt in ihnen und sicher noch in Tausenden anderen. Besonders stark, so scheint es, in diesem Jahr. Dass der Marathon stattfinde, sei nicht selbstverständlich, so Menduri Kasper. Und die Vorfreude deshalb besonders gross.
«Die Pandemie ist doch bald zu Ende»
Menduri Kasper
Zweimal musste der Engadin Skimarathon aufgrund von Covid-19 abgesagt werden. Ein herber Schlag im 2020, absehbar im 2021. Nach der Absage im 2020 musste im Marathonbüro bis April nach- und aufgearbeitet werden. Rückzahlungen von Startgeldern, Kommunikation mit Teilnehmenden, Sponsoren und vieles mehr. «Danach dachten wir, es gehe weiter. Die Pandemie ist doch bald zu Ende», erinnert sich Menduri Kasper. Jetzt mit einem Schmunzeln. Jetzt weiss er es besser. Im Frühjahr 2020 wusste er es noch nicht besser. Niemand wusste es. Deshalb begann die Organisation des Engadiner 2021. Doch schon im Oktober zweifelten die Verantwortlichen an der Durchführbarkeit und stoppten kurz darauf die Anmeldung. Das Büro mit sieben Mitarbeitenden ging in Kurzarbeit. Im Januar 2021 trat das Unvermeidliche ein: Der Marathon musste endgültig abgesagt werden. «Ein Loch. Mühsam. Eine schwierige Situation», so der Geschäftsführer. War man im 2020 noch guter Dinge bezüglich Pandemieende, zweifelte man im 2021. Die Organisation für den diesjährigen Marathon wurde deshalb erst im Herbst richtig aufgenommen. «Mit einem kurzen Bangen um Weihnachten», so Menduri Kasper. Doch dann die Sicherheit: Er findet statt. Nun sogar ohne Einschränkungen – und mit neuen Erkenntnissen.
«Das soll Entspannung in die ganze Sache bringen»
Menduri Kasper
«Im Rahmen der Pandemie fragten wir uns, wie wir den Start so sicher wie möglich machen könnten. Und wie wir ihn für die Zukunft verbessern», sagt Menduri Kasper. Die Lösung liegt in einem Wellenstart. Statt in acht Kategorien wird neu in 29 Wellen gestartet mit maximal 500 Läuferinnen und Läufer pro Welle. «Das soll Entspannung in die ganze Sache bringen», so der Geschäftsführer. Früher seien die Teilnehmenden schon Stunden vor dem Start angereist und hätten in den Startboxen ausgeharrt. Neu erhalten die Läuferinnen und Läufer eine genaue Startzeit. Die Verantwortlichen empfehlen, höchsten 80 Minuten vor dem Start im Startgelände einzutreffen. Der Zugang zum Startbereich öffnet frühstens 40 Minuten vor der Startzeit. So stehen die Teilnehmenden nicht mehr gedrängt für längere Zeit zusammen. Und noch einen Vorteil soll das neue Startprozedere bringen: «Es starten jene Teilnehmenden zusammen, die ungefähr gleich stark sind. Zum Laufen ist das viel angenehmer», ist Menduri Kasper überzeugt. Die Einteilung erfolgt durch die Resultate von vergangenen Marathons oder anderen Rennen.
Menduri Kasper ist überzeugt, dass dies eine Lösung für die Zukunft ist. Unabhängig von Corona. Durch die Pandemie habe man gelernt. Auch wenn das Schutzkonzept nun hinfällig werde, könne man daraus Elemente für die Zukunft entnehmen, ergänzt er. Der Stimmung am Anlass soll dies keinen Abbruch tun. Im Gegenteil. Die ganzen Emotionen sind genau gleich da, ja vielleicht gar stärker, wie in vergangenen Jahren. Diese erlebt Menduri Kasper am Marathontag hautnah mit. «Die Spannung, die in der Luft liegt.» Der Tag des Engadiners ist übrigens ein Tag, an dem Menduri Kasper (fast) nicht arbeitet. «Ich habe dann keine organisatorischen Aufgaben – sie sind repräsentativer Art», sagt er. Wenn irgendetwas vergessen ging, irgendetwas in der Organisation schief lief, kann dies am Tag selber nicht mehr korrigiert werden. «Dann ist es so», meint Menduri Kasper. Am Marathon mitlaufen kann der gebürtige Champfèrer dennoch nicht. «Ich würde wirklich gerne, aber wenn irgendetwas ist, dann ist es doch blöd, wenn ich mich im Stazerwald in der Abfahrt übe.» Er lacht. Menduri Kasper ist eng mit dem Marathon verbunden. Schon als Jugendlicher war er mit seinem Skiclub als Helfer mit dabei. Er erzählt vom Helfer-Zmittag nach dem Start, vom Zusammenhalt und dem Engagement vieler Freiwilliger, das damals wie heute ungebrochen ist. Der Engadiner ist und bleibt es eben: der Marathon der Herzen.