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Mit meinem kleinen Feldstecher auf der Pirsch

Bernhard Petschen nimmt Kinder und Jugendliche mit in den Bündner Wald

Die Schule hat wieder begonnen, und ich bin so gespannt, was unsere Lehrerin uns dieses Jahr beibringen wird. Sie hat auch erzählt, dass wir ein neues Thema, Wildkunde, durchnehmen werden. Darauf freue ich mich sehr, denn wilde Tiere haben mich schon immer fasziniert. Mit meinen Eltern bin ich oft im Zoo gewesen und dort habe ich allerlei Tiere wie Elefanten, Giraffen, Leoparden, Affen und Zebras gesehen. Das Traurige daran ist, dass die alle in einem Käfig eingesperrt sind. Da gehe ich doch lieber mit Opa und meinem kleinen Feldstecher auf die Pirsch. Dort konnte ich schon einige Wildtiere beobachten, die in der Natur leben. Apropos Pirsch. Wisst ihr, was das bedeutet? Ich wusste es nicht. Es ist Jägersprache und bedeutet, durch möglichst lautloses Durchstreifen im Wald Wild aufzuspüren.

Hä, Sitzleder?

Letzte Woche war es wieder so weit und ich durfte mit Opa ganz früh am Morgen in den Bergen Wildtiere beobachten. Mein Opa sagt, wenn wir Wildtiere sehen wollen, müssten wir früh am Morgen aufstehen. Dann hätten wir mehr Glück, etwas zu beobachten. Und wir müssten viel Sitzleder haben. Wisst ihr, liebe Kinder, was das heisst, Sitzleder haben? Ich wusste es auch nicht, bis mein Opa es mir erklärt hat. Also, Sitzleder haben, bedeutet viel zu sitzen und ja keinen Laut von sich zu geben. Am besten nicht reden und sich nicht bewegen.

Buah, das ist recht langweilig, aber wenn sich mal etwas im Wald bewegt, dann ist die Langeweile wieder verschwunden. Ab und zu pennt mein Hund James ein und schnarcht vor sich hin. Ist das ärgerlich, wenn er gerade dann schnarcht, wenn ein Hirsch oder ein Fuchs aus dem Dickicht guckt.

Hirschkuh mit Kalb

Apropos, gestern war ich ganz allein mit James im Wald und habe meinen kleinen Feldstecher mitgenommen. Den hatte ich von Opa zum Geburtstag bekommen. Ich wollte ausprobieren, ob ich ohne meine Eltern und meinen Opa auch etwas beobachten kann. An einem heissen Sommertag, und dies bei wunderschönem Wetter, läuft nicht viel im Wald. Na ja, dann habe ich einfach ein Buch mitgenommen, mich hinter einen Baum gesetzt und gelesen. James, mein lieber Hund, ist zum Glück kein Jagdhund. Dafür ist er zu dick und viel zu faul. Er folgt mir auf Schritt und Tritt und ist mir auch keine grosse Hilfe mit seiner Spürnase. Sonst würde er bellen, wenn Wildtiere in der Nähe wären.

Mir kommt immer im Sinn, was mein Opa gesagt hatte: Irgendwann wird etwas auftauchen. Und so war es auch. Nach einer Weile trat nicht weit von mir eine Hirschkuh aus dem Gebüsch und kurze Zeit später tauchte auch ihr kleines Kälbchen aus dem Wald auf. Jö, war das niedlich. Das Kälbchen ass ein wenig Gras und nach einer Weile hat es von der Mutter Milch gesogen. War das ein schönes Erlebnis.

Mir ist aufgefallen, dass die Mutterkuh die ganze Zeit die Nase nach oben richtete. Ich weiss auch warum, denn das hat mir mein Opa beigebracht. Wildtiere richten immer ihre Nase nach dem Wind. Und wenn der Wind in die entgegengesetzte Richtung bläst, können sie uns nicht so gut riechen. Das muss wohl der Grund sein, warum sich die beiden so lange am Waldrand aufgehalten haben, obwohl ich hinter dem Baum sass.

Ach, war das wunderschön, und mein Hund James hat nicht einmal etwas davon mitgekommen. Er hat während der ganzen Zeit geschlafen und geschnarcht.