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Auf Spurensuche im Wald

Bernhard Petschen nimmt Kinder und Jugendliche mit in den Bündner Wald

Liebe Kinder, kürzlich war ich mit meinen Eltern in der Bibliothek. Na ja, so eine Bibliothek ist schon etwas Spezielles, und zum Glück gibt es dort für mein Alter viele Kinderbücher. Mama liest gerne Schnulzen und die Enden der Geschichten sind meistens alle gleich. Solche Bücher interessieren mich überhaupt nicht, dafür Wildtiergeschichten. In einer Ecke entdeckte ich ein altes, staubiges Buch mit dem Titel «Der Spurenleser der Wildtiere». Geschrieben über einen gewissen Trapper David Crockett. Na ja, wer das Wort «Spurenleser» hört, dem kommen sicherlich Winnetou oder Old Shatterhand aus dem Wilden Westen in den Sinn. Solche Geschichten haben meine Eltern mir vor dem Schlafengehen erzählt. Die alle waren berühmte Spurensucher, wenigstens im Film, sagt Papa. Dabei konnten sie Abdrücke von Reitern und Wildtieren über grössere Entfernungen verfolgen. Papa meint, dass es solche Spurenleser und Fährtensucher auch bei uns gibt. Heute sind es keine Indianer, Fallenstellerin oder Aborigines, sondern Menschen wie Wildhüter, Försterinnen, Naturliebhabende oder wie mein Opa, der Jäger ist, die sich dieses Wissen angeeignet haben.

Ein spannendes Buch

Mich packte die Neugier und ich nahm das Buch mit nach Hause. Als ich es aufschlug, fühlte es sich an, als würde das Buch mich direkt in den Wald ziehen. Die Seiten waren voller bunter Bilder von Tierspuren und Pfotenabdrücken von Füchsen, Hirschen, Rehe und vieles mehr. Ich war so begeistert, dass ich das Buch im Handumdrehen durchlas!

Überall Spuren im Wald

Am nächsten Morgen beschloss ich, mein neu gewonnenes Wissen in die Tat umzusetzen, und machte mich auf den Weg in den Wald. Am Waldrand entdeckte ich bereits die ersten Spuren. Es war eine grosse Pfote! «Buahh, das muss von einem Bären sein», dachte ich aufgeregt. Hm, das kann nicht sein, mein Opa hat mir versichert, dass es in unserer Gegend keine Bären gibt. Dann muss der Abdruck wohl von einem Wolf oder Fuchs stammen. Zum Glück habe ich immer meinen Stock und meinen treuen Hund James dabei. Aber leider tut James keiner Fliege etwas zuleide, das heisst, falls ein Wildtier kommen würde, wäre ich auf mich alleine gestellt.

Weiter fand ich noch viele andere Spuren: kleinere Abdrücke von einem Kaninchen, die zu einem Busch führten, wo ich in der Weite ein paar flauschige Ohren blitzen sah. Und dann bemerkte ich noch die kleineren Spuren im Schnee. Das müsste wohl ein Dachs gewesen sein! Ich konnte kaum glauben, wie viele Tiere um mich herum leben.

Spuren sind wie ein offenes Buch

Am Abend kam mein Opa noch kurz zu Besuch. Ich zeigte Opa mein spannendes Buch über Wildtierspuren und erzählte, was ich heute alles erlebt hatte. Opa meint, dass viele Menschen es heute nicht mehr lernten, Fährten und Spuren richtig zu lesen. Dabei sei es – wenn man ein paar typische Merkmale kennt – gar nicht so schwierig. Solche Spuren verraten auch vieles über das Verhalten und die Nahrung der Tiere. Es gibt sie in grosser Zahl, und wer Geduld und Ausdauer besitzt, kann in der Natur die Fährten wie in einem offenen Buch lesen.

Ja, liebe Kinder. Ihr werdet staunen, wie viel ein Feldweg, ein Waldpfad oder eine verschneite Landschaft bei näherem Hinsehen aussagen kann, wenn man Fährten und Spuren richtig zu lesen versucht. Vor allem jetzt im Winter sind im Schnee viele Spuren zu sehen. Nicht nur die Menschen hinterlassen auf ihren Spaziergängen im Wald ihre Spuren, sondern auch die Waldbewohner. Die Wildtiere sind dort in ihrem natürlichen Umfeld am liebsten allein und ungestört, und sie hinterlassen Spuren, viele Spuren. Ach ja, auch ich muss lernen, dies alles zu verstehen. Da ist mein Opa ein gutes Beispiel.

Heute war ein richtig spannender Tag. Und mit solch wunderschönen Begegnungen gehe ich nun ins Bett, gute Nacht, liebe Kinder. Bis zum nächsten Mal.