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Die Weichen stellen

Zu Besuch in der Betriebszentrale der Rhätischen Bahn – dem Herz des Bahnverkehrs

«Fahrdienst antworten.» Stille. «Verstanden, von 53 via Gleis 5-12 dritte Umfahrung.» Zugverkehrsleiter Patrick legt das Telefon auf. Er schaut auf einen der Bildschirme vor sich, gibt per Mausklick einen Befehl. Für Laien unverständlich, was er hier tut. Nur eines ist klar: Bald macht sich ein Zug der Rhätischen Bahn (RhB) auf den Weg von Disentis nach Chur. 

Es ist Dienstagnachmittag am Bahnhof in Landquart. Draussen scheint die Sonne. Drinnen, in der Betriebszentrale im ersten Stock des Bahnhofsgebäudes, ist es dunkler. Das muss so sein, schliesslich soll das, was auf den vielen Bildschirmen angezeigt wird, gut zu sehen sein. Jede und jeder der neun Zugverkehrsleitenden sitzt vor zwölf Bildschirmen. Zusammen mit der Betriebsüberwachung und der Betrieblichen Kundeninfo bilden sie das Gehirn des Bahnverkehrs. Hier werden – plakativ gesagt – die Weichen gestellt. Hier wird dafür gesorgt, dass Pendelnde und Reisende sicher und pünktlich von A nach B kommen. Tag und Nacht.

Pünktlich und sicher von A nach B kommen

Damit dies gelingt, muss vieles passen. Viel organisiert und koordiniert werden. Urs Gähwiler, Leiter Bahnverkehrssteuerung, bittet in sein Büro. Um zu verstehen, was einige Türen weiter in der Betriebszentrale geschieht, braucht es ein bisschen Theorie. «Die RhB ist ein integriertes Unternehmen. Wir arbeiten alle miteinander und füreinander», beginnt er. Das Unternehmen ist in Geschäftsbereiche und weiter in Fachbereiche unterteilt. Die Betriebszentrale gehört zum Fachbereich Betriebsführung und Disposition im Geschäftsbereich Produktion. 600 der 1500 Mitarbeitenden der Rhätischen Bahn arbeiten in diesem Geschäftsbereich. Das sind zum einen Lokführerinnen und Rangiermitarbeiter. Jene, die unterwegs sind oder an einem zugeteilten Bahnhof arbeiten. Das sind andererseits aber auch Menschen, die den Fahrplan schreiben, die Gruppenreservationen koordinieren, die Extrazüge planen, die Störungen beheben und, und, und. Hier in Landquart kommt alles zusammen, was den Bahnbetrieb ausmacht und aufrechterhält. Und dafür ist eine enge Zusammenarbeit zwischen den einzelnen Bereichen nötig, wie Urs Gähwiler sagt.

Einer dieser Bereiche ist nun eben die Betriebszentrale. Hier arbeiten an 365 Tagen im Jahr während 24 Stunden am Tag pro Schicht bis zu neun Zugverkehrsleitende, ein Betriebsüberwacher und eine Informationsassistentin. «Wir planen und koordinieren pro Tag 800 Züge auf circa 380 Kilometern», so Urs Gähwiler vor dem Arbeitsplatz von Zugverkehrsleiter Patrick stehend. Das Bahnnetz der RhB ist in neun Gebiete aufgeteilt. Für jedes der Gebiete ist pro Schicht eine Zugverkehrsleiterin oder ein Zugverkehrsleiter zuständig. Sie disponieren und überwachen den Zugverkehr und greifen ein, wenn es zu Unregelmässigkeiten kommt. «Wenn es keine Störungen gäbe, könnte man den Fahrplan ’starten› und es würde alles automatisch laufen. Das ist jedoch utopisch, deshalb braucht es die Zugverkehrsleitenden», sagt Urs Gähwiler. Zu Störungen oder Abweichungen kommt es nämlich täglich. Oft zu kleinen, welche die Reisenden im Zug kaum betreffen. Zum Beispiel dann, wenn zwei Züge an einem Bahnhof kreuzen müssen, dies aber nicht zum geplanten Zeitpunkt am geplanten Ort wegen Verspätung des einen Zuges geschieht. Dann müssen die Zugverkehrsleitenden eingreifen und entscheiden, wo die Züge alternativ kreuzen können. Natürlich kann es aber auch zu grösseren Störungen kommen. Zu grossen Verspätungen und Zugausfällen. «Dann ist hier der Teufel los», meint der Leiter Bahnverkehrssteuerung und schmunzelt. 

Nicht erst dann, aber dann ganz bestimmt, ist die Betriebsüberwachung gefordert. Sie leitet die Schicht. «Die Betriebsüberwacherinnen und -überwacher sind dafür verantwortlich, dass sicher und pünktlich produziert wird», so Urs Gähwiler. Sie entscheiden, was zu tun ist, wenn es zu Verspätungen und Störungen kommt. Sie müssen den Überblick behalten und bei Störungen schnell entscheiden, koordinieren und organisieren. Kommuniziert werden Änderungen und Störungen von der Betrieblichen Kundeninformation. Kommt es zu Gleisänderungen, Verspätungen oder Ausfällen, informiert sie über die Anzeigen im Bahnhof oder ruft die Änderungen an den entsprechenden Bahnhöfen aus.

Urs Gähwiler: «Es ist ein Job mit Verantwortung»

Im Moment ist es ruhig in der Betriebszentrale. Bleibt Zeit, um zu beobachten und mehr über den Beruf der Zugverkehrsleitenden zu erfahren. Ein Beruf, der mit einer 3-jährigen Lehre oder mit einer einjährigen Ausbildung als Quereinstieg bei der RhB verbunden ist. «Es ist ein vielfältiger Job, der mit viel Verantwortung verbunden ist. Man muss ein hohes Sicherheitsbewusstsein haben, Teamplayer sein, muss in Zusammenhängen denken, genau und konzentriert arbeiten, ein Zahlenverständnis haben und die Geografie des Kantons aus dem FF kennen», erklärt Urs Gähwiler. Eine gewisse Reife müssen Bewerberinnen und Bewerber ebenfalls mitbringen. «Sie müssen im Leben angekommen sein», so der Leiter Bahnverkehrssteuerung weiter. Dann aber ist der Beruf, zumindest gemäss Patrick, sehr spannend. «Jeder Tag ist anders. Das ist das Schöne am Beruf.» Er lässt den Blick über die Bildschirme schweifen. Der Zug von Disentis nach Chur ist mittlerweile irgendwo auf der Strecke unterwegs. Laien wissen nicht, wo genau. Patrick und seine Kolleginnen und Kollegen jedoch schon. Sie sind es eben: das Herz und Hirn des Bündner Bahnverkehrs.